Paul Trynka - Sympathy for the Devil

Biographie Brian Jones

Paul Trynka

Sympathy for the Devil. Die Geburt der Rolling Stones und der Tod von Brian Jones

Hannibal Verlag

19.99€

 

Er hat einen der ersten medialen Etappensiege im Kampf gegen den Rassismus initiiert, das Instrumentarium der Rockmusik enorm erweitert und wahrscheinlich Mick Jagger das Leben gerettet (durch geistesgegenwärtiges Herausziehen des Mikrofon-Steckers – um zwischen Standardzappeln des Sängers und drohendem Stromschlag zu unterscheiden bedarf es eines geübten Blicks).

Er hat Frauen geschwängert und geschlagen, ein gerüttelt Maß Skrupellosigkeit und Hinterhältigkeit im Umgang mit Weggefährten an den Tag gelegt und selbstzerstörerisch mit seinem Leben gespielt und verloren. Mögen Berufenere versuchen, die ethisch-moralische Seite des Brian Jones auf einen Nenner bringen, ich bespreche inzwischen seine Biographie.

Der Autor Paul Trynka, bisher mit Büchern über David Bowie und Iggy Pop hervorgetreten, versucht eine menschliche und musikalische Ehrenrettung. Sie gelingt, obwohl der Bogen mehrfach überspannt wird. So ist in neutraleren Stones-Büchern zwar ebenso zu lesen, daß es ab 1965 Bestrebungen gab, das anfangs tonangebende Mitglied loszuwerden, doch die ständige Floskel „das Brechen von Brian“ (psychisch- nicht physisch) nervt etwas und scheint mir in der behaupteten Systematik nicht haltbar. Außerdem: Warum soll Andrew Oldham niemanden aufs Abstellgleis schieben dürfen wenn Alexis Korner Jagger/Richards trennen wollte, bevor sie überhaupt zusammen waren?

Dann ist es kontraproduktiv, wenn Trynka seinen Brian immer wieder raunend in langen, tiefsinnigen Gesprächen schildert und inhaltlich leer bleibt, während Keith Richards in seinem Buch einfach und locker intelligente Sachen sagt. Und vollends unredlich wird es, den überlebenden Stones die künstlerische Verflachung und Kommerzialisierung anzulasten ohne anzumerken, daß Jones‘ Beitrag zu den Alben für die Ewigkeit verschwindend gering ist, bis auf die großartige Slide-Gitarre bei „No Expectations“ natürlich. Man höre die ersten vier „Sticky Fingers“-Stücke und frage sich: fehlt da jemand? Und: spielt Mick Taylor nicht wirklich in einer höheren Liga?

Daß die Erzählung von 1967 bis zum frühen Tod etwas wirr gerät, sei mal wohlwollend als Symbiose des Autors mit seinem Helden gedeutet. Damit die Daseinsberechtigung des Buches nicht auf eine überzogene Gegendarstellung beschränkt bleibt, kommen wir zu seinen Stärken. Plastischer als bei Richards treten die britischen Fünfziger zutage mit der Trias Familie - Rebellion - Musik. Die schwarzen Wurzeln der weißen Jugendkultur und deren Wichtigkeit für den jungen Jones und sein Gitarrenspiel können kaum überschätzt werden. Mehr als bei den anderen Stones war Musik hier Antriebskraft und Lebenselixier. Und er zeigte sich freigiebig und charakterkundig, indem er sexuelle Ratschläge an Jagger, musikalische an Richards weitergab. Die Kompositionsbeiträge und -veredlungen, die Trynka für viele Titel Mitte der sechziger Jahre anführt – alle ohne Namensnennung und damit ohne Rechte auf Tantiemen - , sind weit mehr als nur Ratschläge und machen etliche Stücke zu musikgeschichtlich wertvollen Kleinodien. Und hierfür gab es nun wirklich keinen Dank, in Richards‘ Buch taucht nach dem Tod nicht mal mehr der Name Jones auf. Dafür hat er etwas äußerst Sympathisches mit dessen Biographen gemein, nämlich die Abneigung gegen Verschwörungstheorien – Trynka stellt die kruden Mordtheorien dar und plädiert eindeutig für die offizielle Version Tod ohne Fremdeinwirkung, obwohl die Polizei auf Spurensuche laxer vorging als bei den vorangegangen Drogenrazzien.

Das Leben des Brian bot trotz trauriger Kürze brillant beschriebene erfüllte Momente, wer je ein Instrument in der Hand hatte, wird die Schilderungen der Bühnenauftritte in den frühen  Sechzigern und über das zu Beginn kongeniale Zusammenspiel mit Richards nicht ohne Gänsehaut lesen. Von den letzten Lebensjahren läßt sich dank Trynkas einfühlsamen Erzählungen (im Bildteil anschaulich nachzuvollziehen, leider fehlt die tolle Aufnahme der 67er-Tour, wo er von Jagger unbeeindruckt gedankenverloren im Schneidersitz seine Sitar bearbeitet) ebenso vermuten, daß ein schwer Angeschlagener noch zu Augenblicken stillen Glückes fähig war. Do you, Mr. Jones?

 

Rezension: Frank Rüb, Mainz